Es begann im 19. Jahrhundert mit vergleichsweise kleinen Kanalbauarbeiten am Donaudelta oder Sprengungen von Felsen im Flussbett: Seit gut 200 Jahren verändern die Menschen – unterstützt durch neue technische Möglichkeiten – die Donau in weit stärkerem Maße als zuvor.
„Die Eingriffe wurden im Lauf der Zeit immer radikaler, bis hin zu riesigen Dammbauprojekten. Gleichzeitig wurden aber auch die Folgen für die Natur und die Anwohner immer gravierender“, erklärt Dr. Luminita Gatejel vom Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS) in Regensburg.
Die Historikerin wird dieses Zusammenspiel aus menschlichem Gestaltungswillen und Umwelt in den kommenden drei Jahren – am Beispiel des unteren Laufes, ab Serbien flussabwärts – intensiv erforschen.
Sie leitet das Projekt „Umkämpfte Wasserstraße. Governance und Ökologie an der unteren Donau, 1800–2018“. Das Vorhaben wird – nach einem anspruchsvollem Auswahlverfahren im sogenannten Leibniz-Wettbewerb – von der Leibniz-Gemeinschaft mit 695 000 Euro gefördert, wie die Wissenschaftsorganisation dem IOS im Dezember mitteilte.
Für das Projekt, das 2020 anlaufen soll, haben sich Historiker, Geographen und Anthropologen zusammengeschlossen. Sie stammen von Universitäten und Forschungsinstituten aus Deutschland, Slowenien, Ungarn, Rumänien und Bulgarien, und sie wollen eine Lücke schließen. Denn eine tiefgreifende, auch theoretisch fundierte Flussgeschichte der Donau wurde laut Gatejel bisher noch nicht geschrieben.
Ihre Gruppe nähert sich dem Vorhaben aus verschiedenen Richtungen. Sie untersucht das Leben der Menschen am Fluss ebenso wie die Entwicklung von Schifffahrtsgesellschaften, die internationale Donaukommission oder gegenwärtige Bemühungen, die Flusslandschaft zu renaturieren.
Im Zentrum stehen dabei immer die menschlichen Versuche, den Fluss zu kontrollieren, auszubauen und ihn so wirtschaftlich besser nutzen zu können – und ihre häufig unbeabsichtigten Folgen. „Die Geschichte der Donau zeigt, dass der Fluss auf Eingriffe oft ganz anders reagiert als von Ingenieuren erwartet.
Und letztlich sind die Kosten meistens viel höher als gedacht“, erklärt Gatejel. Ein Beispiel seien Felssprengungen am Eisernen Tor, an der heutigen Grenze von Serbien und Rumänien, in den 1830er Jahren. Ziel war eigentlich, Platz für größere Schiffe zu schaffen. „Am Ende war ein Stück Natur zerstört. Die Felsen waren zwar weg, dafür haben sich an ihrer Stelle Strudel gebildet. Und die Schiffe konnten deshalb immer noch nicht bequem durchfahren“, sagt Gatejel.
„Solche Muster zeigen sich immer wieder. Auch bei Großprojekten wie Dammbauten, bei denen die Kosten explodierten, die Bauzeiten immer länger wurden und unerwartet viel Lebensraum für Menschen und Tiere verlorenging. Trotzdem glauben bis heute viele, dass man die Donau problemlos gestalten kann. Wir wissen aus der Geschichte, dass das nicht funktioniert.“
Die Forscher wollen deshalb als Teil des Projekts auch ein Strategiepapier für politische Entscheidungsträger veröffentlichen. Es soll es Beispiele enthalten, wie Menschen dauerhaft mit dem Fluss leben können. Gleichzeitig soll es aufzeigen, wie und warum die Donau durch technische Eingriffe über zwei Jahrhunderte hinweg Schaden nahm, sagt Gatejel. „Denn dieses Wissen kann an allen Abschnitten der Donau helfen, es in Zukunft besser zu machen.“